Wie Autofirmen den Elektro-Vorschuss suchen

Die scheinbar verkehrte Welt der Börsenkapitalisierung hat paradoxe Folgen: Etablierten Auto-Giganten fehlen die Mittel für genügend Elektro-Investments, während junge Marken, Hauptsache sie bauen Elektroautos, von grossen Forschungsetats profitieren.


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Ford sucht aktuell nach Wegen, sein Geschäft mit Elektrofahrzeugen von seinem Stammgeschäft zu trennen, in der Hoffnung, sich jene Aufmerksamkeit der Investoren zu sichern, den Tesla und andere reine Elektromarken geniessen. CEO Jim Farley möchte Fords Elektrogeschäft von seinem Geschäft mit Verbrennungsmotoren abtrennen, wie das Fachmagazin Auto News von Insidern erfahren hat.

Zahlreiche Automobilhersteller und -zulieferer überdenken derzeit ihre Aktivitäten im Bereich der Verbrennungsmotoren, da sich der Übergang zur Elektrifizierung beschleunigt. So kündigte der CEO der Renault-Gruppe, Luca de Meo, an, dass das Unternehmen seine Aktivitäten im Bereich der elektrischen und verbrennungsmotorischen Antriebe in zwei Einheiten aufspalten könnte, denn in Europa strebt der Automobilhersteller bis 2030 eine zu 100 Prozent elektrische Produktpalette. Ob auch ein Börsengang erwägt wird, bleibt offen.

Ford sagte im Februar letzten Jahres, dass es bis 2030 keine Autos und Geländewagen mit Benzin- und Dieselmotoren mehr in Europa anbieten werde. Im Mai letzten Jahres erklärte der Autohersteller, er sei offen dafür, die Umstellung noch schneller vorzunehmen.

Ford, vielleicht mit Plan B

Eine Aufspaltung von Ford könnte sich als schwierig erweisen, so dass Farley stattdessen das EV-Geschäft einfach intern als eigene Einheit abtrennen könnte, als Teil einer umfassenden Reorganisation. Klar ist, dass eine Ausgliederung der Ford-Familie nur schwer zu vermitteln sein dürfte. Sie kontrolliert den Autohersteller über eine spezielle Aktienklasse und ist misstrauisch, ihren Einfluss auf das 118 Jahre alte Unternehmen zu verlieren, so die internen Quellen. Die Gründerfamilie, angeführt vom Vorstandsvorsitzenden Bill Ford, hat drei Sitze im Verwaltungsrat.

Das Unternehmen steht unter dem Druck der Wall Street, sein aufstrebendes EV-Geschäft auszugliedern, um den Wert durch den Abbau von Altlasten zu steigern und einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten zu erhalten. Investoren haben reinen EV-Herstellern wie Rivian Automotive, dessen Marktwert Ende letzten Jahres kurzzeitig den von Ford übertraf, obwohl das Unternehmen nur relativ wenige Fahrzeuge produziert, einen immensen Wert zuerkannt.

Jim Farley: «Keine halben Sachen»

«Wir haben keine Pläne, unser Geschäft mit batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen oder unser traditionelles ICE-Geschäft abzuspalten», erklärte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Farley schloss die Möglichkeit einer Aufteilung in zwei Geschäftsbereiche allerdings nicht aus, als er kürzlich während der Telefonkonferenz des Unternehmens zu diesem Thema befragt wurde. «Ein erfolgreiches ICE-Geschäft und ein erfolgreiches BEV-Geschäft sind nicht dasselbe», sagte Farley.

«Wir wollen keine halben Sachen», sagte der Ford-CEO in der Telefonkonferenz. «Die Zeit der schrittweisen Veränderungen sind vorüber. Wir haben einen klaren Plan, wir wollen handeln und wir haben die Überzeugung, dass alles möglich ist.»

Rasanter Wandel

Ford hat 30 Milliarden Dollar für seine EV-Strategie bis 2025 bereitgestellt und will bis zum Ende des Jahrzehnts weitere 10 bis 20 Milliarden Dollar ausgeben, um die Fabriken für den Bau von Steckerfahrzeugen umzurüsten. Farley hat die Produktion des elektrischen Mustang Mach-E verdreifacht und die Produktion des vollelektrischen Pickups F-150 Lightning (im Bild) verdoppelt, der in diesem Frühjahr in den Verkauf geht. Das Unternehmen plant, in zwei Jahren jährlich 600’000 Elektroautos zu produzieren und bis 2030 die Hälfte seines Umsatzes mit batteriebetriebenen Fahrzeugen zu erzielen.

In seiner derzeitigen Struktur hat der Autohersteller keinen Zugang zu den Finanzierungsmöglichkeiten, die Tesla und anderen Herstellern von Elektrofahrzeugen zur Verfügung stehen und die von Banken und Investoren als vorteilhafter angesehen werden. Die Schaffung eines reinen EV-Unternehmens könnte Ford Zugang zu billigerem Kapital verschaffen und Investoren die Möglichkeit geben, diesem Geschäft einen (hohen) Wert zuzuweisen.

Analysten haben gesagt, dass Ford sein altes Geschäftsmodell aufgeben muss, um die Gewinnspannen von Tesla zu erreichen, die Farley auf über 10.000 Dollar pro Auto geschätzt hat. Um die höheren Kosten von Elektrofahrzeugen auszugleichen, so die Analysten, brauchen die Autohersteller ein Direktvertriebsmodell, wie bei Tesla und Rivian, das die Händler und deren Anteil an den Einnahmen umgeht. Aber auch die Arbeitskosten stehen im Fokus.

Porsche wäre auch einen Versuch Wert

In derselben Logik der Steigerung des Unternehmenswertes folgen Berichte, nach denen die VW Gruppe erwägt, die Marke Porsche eigenständig an die Börse zu bringen. VW und sein grösster Aktionär, die Porsche Automobil Holding SE, haben einen entsprechenden Rahmenvertrag unterzeichnet als Basis für einen Börsengang (IPO) von Porsche, wie VW in einer Mitteilung festhielt.

Gerüchte um einen Börsengang von Porsche gab es zuletzt immer wieder, aber auch um Uneinigkeit im Aktionariat der Porsche SE, in dem die Familien Porsche und Piech organisiert sind. Richtig aufgesetzt, könnte das IPO für alle Beteiligten interessant sein. Der Finanzdienstleister Bloomberg schätzt die erzielbare Marktkapitalisierung auf 60 bis 80 Milliarden Euro – das wären immerhin rund die Hälfte soviel, wie heute die ganze VW-Gruppe wert ist.


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