Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland wird zum Wahlkampfthema
Fahren, so schnell Sicherheit und Fahrtalent es zulassen: Die Besonderheit deutscher Autobahnen gerät im Zug der Klimadiskussion vermehrt unter Beschuss. SPD und Grüne machen das Tempolimit zum Wahlkampfthema.


Das Wahlprogramm der deutschen SPD für die Bundestagswahl im September beinhaltet einen starken Fokus auf die Klimapolitik. Damit kommt ein politisch besonders heisses Eisen (erneut) auf den Tisch: Tempolimits auf Autobahnen.
Die Sozialdemokratische Partei (SPD) hat einen ersten Entwurf ihres Wahlprogramms erstellt, der den Klimaschutz als «Jahrhundertaufgabe» in den Mittelpunkt stellt.
Die SPD will in ihrem Entwurf umstrittene Klimaschutzmassnahmen wie ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen unterstützen; eine Idee, die bisher von den meisten Politikern als «unmöglich» angesehen und vor allem von den Grünen propagiert wurde.
«Wir werden auf der Autobahn ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern einführen. Das schont die Umwelt und reduziert die Zahl der Unfälle erheblich», schreibt der Junior-Koalitionspartner in der deutschen Regierung mit dem konservativen CDU/CSU-Bündnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Ladeinfrastruktur für Elektroautos bis 2030
Ziel ist es, durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die finanzielle Unterstützung der Ladeinfrastruktur für Elektroautos bis 2030 «den modernsten und klimafreundlichsten Verkehrssektor in Europa» zu etablieren, heisst es in dem Projekt. Die SPD unterstreicht zudem ihre Entschlossenheit, das Land bis zur Mitte des Jahrhunderts zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu führen und Deutschland als Wirtschaftsgrossmacht zu erhalten.
«Unsere Industrie wird auch 2050 noch weltweit führend sein, weil sie kohlenstoffneutral produziert und die Technologien exportiert, die die Welt von morgen braucht», heisst es in dem Projekt weiter.
Die politische Konkurrenz kritisiert das vorgeschlagene Programm der SPD als klaren Versuch, Wähler von den Grünen abzuwerben, die seit der letzten Wahl in den Umfragen deutlich zugelegt haben - zu einer Zeit, in der ökologische Herausforderungen bei vielen Wählern ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.
Umsetzbare Ideen zur Emissionsminderung sind daher für fast alle Parteien, die zur Bundestagswahl am 26. September 2021 antreten, ein zentrales Thema.
ADAC: Die Meinungen sind geteilt
Selbst im mitgliederstarken Deutschen Automobilclub (ADAC) sind die Meinungen dermassen geteilt, dass die Führung auf eine Stellungnahme zur Frage verzichtet. Gemäss Umfrage unter den Mitgliedern hat die Zahl der Befürworter eines Tempolimits in den letzten Jahren laufend zugenommen. Allerdings: während einiger Jahre in den 1990ern war die Zustimmung der Clubmitglieder gar noch grösser gewesen (damals fast 60 %, heute 46 %.
Thomas Bareiss, Staatssekretär der CDU im Wirtschaftsministerium, sagt, ein generelles Tempolimit auf Autobahnen mache «heute weder aus verkehrssicherheits- noch aus klimapolitischer Sicht Sinn» und argumentiert, die SPD werde zur «Verbotspartei».
Die Fakten geben dem CDU-Vertreter nur teilweise recht. Tatsächlich ereignen sich auf den unlimitierten Abschnitten deutscher Autobahnen – längst sind unzählige Teilstrecken auf 130 oder auch 100 km/h beschränkt – nicht mehr Unfälle als auf jenen mit Geschwindigkeitsbeschränkung. Und auch im internationalen Vergleich schneiden deutsche Autobahnen bezüglich Sicherheit gut ab. Hingegen scheint klar, dass ein generelles Tempolimit den Verbrauch und damit den CO₂-Ausstoss senken würde. Gemäss einer Studie des Umweltbundesamts würde eine Beschränkung auf 130 km/h zu einem um 1,9 Mio. Tonnen (4,9 Prozent CO₂-Minderung auf dem Autobahnnetz) geringeren CO₂-Ausstoss führen.