Wann kommt das selbstfahrende iCar?

Apple könnte, alleine oder mit Partner, die Autoindustrie aufmischen. Ob der Tech-Gigant aus Cupertino überhaupt will, wissen wir auch nach jahrelangen Gerüchten und Dementi nicht.


Teile diesen Artikel:

Die Berichte über ein mögliches Apple-Auto haben schon fast die Qualität der Legende vom Loch Ness. Wie das Ungeheuer aus dem See taucht das Apple Car immer mal wieder auf, und doch hat es noch niemand gesehen…

Zuletzt allerdings verdichteten sich die Schlagzeilen: Prominente Abwerbungen in der Autoindustrie, ein genehmigtes Autopatent nach dem anderen, Sichtungen mysteriöser selbstfahrender Autos in der Nähe des Firmensitzes in Cupertino, Kalifornien, und zuletzt weithin berichtete Gespräche über eine Multi-Milliarden-Dollar-Partnerschaft zum Bau eines autonomen Elektroautos mit Hyundai und Kia.

Zusammenarbeit oder doch nicht

Doch im Februar, als die Gerüchteküche wegen der Berichte über die Partnerschaft überkochte, trat Apple unvermittelt auf die Bremse. Nachdem Hyundai laut Bloomberg voreilig bekannt gegeben hatte, dass Gespräche im Gange seien, folgte fast umgehend das Dementi. Wie ein internes Sprichwort sagt, ist der schnellste Weg, nicht mit Apple zu arbeiten, über eine Zusammenarbeit mit Apple zu sprechen. Inzwischen hiess es aus Korea, dass man nicht im Gespräch mit Apple über die Entwicklung selbstfahrender Autos sei.

Selbst nach Apples Massstäben für Produkte, über die schon lange gewerweisst wird, dauern die Gerüchte über das Apple Car – gehandelt unter dem Name Project Titan – nun schon extrem lang. Neben dem Hype gibt es auch offensichtliche Rückschläge: Im Jahr 2016 hat das Unternehmen seine Ambitionen offiziell «zurückgeschraubt». Es gab auch Entlassungen; währenddessen treiben Autohersteller und Tech-Rivalen ihre Projekte für selbstfahrende Autos weiter voran.

Bei allen Unklarheiten scheint eines sicher: Falls Apple wirklich will, kann es auch. Flüssige Mittel in der Höhe von rund 200 Milliarden Dollar ermöglichen womöglich nötige Investitionen sowohl in die Forschung und/oder die Übernahme vielversprechender Startups.

Welcher Autobauer würde passen?

Und jetzt, wo die letzte potenzielle Partnerschaft zu platzen scheint, gibt es neue Fragen darüber, mit welchen Autoherstellern Apple noch zusammenarbeiten kann, wenn es denn möchte. Der japanische Automobilhersteller Nissan, einer von einer Handvoll möglicher Partner, die von Analysten angepriesen wurden, sagte unlängst, dass er sich nicht in Gesprächen mit Apple befinde. Nissan winkte ab, nachdem die Financial Times berichtet hatte, dass die Unternehmen in den letzten Monaten Gespräche über eine Zusammenarbeit geführt hätten.

All das hat zu dem Gefühl beigetragen, dass das Apple Car immer irgendwie da ist, aber nie ganz ankommt.

«Vor zwei, drei Jahren verdichteten sich die Berichte, in denen behauptet wurde, das Projekt sei tot», sagte Reilly Brennan, General Partner bei Trucks VC, das in Transportunternehmen investiert. «Damals habe ich gelacht, weil ich mindestens ein Dutzend Leute kannte, die bei Apple an Dingen exakt in diesem Bereich arbeiteten.» In der Gerüchteküche brodle es zwar niedergarig weiter, aber inzwischen wisse auch er nicht, ob jemals etwas Konkretes aus dem Apple Car werde, so Brennan.

Es ist verständlich, dass Apple mit der Billionen-Dollar-Autoindustrie liebäugelt. Gleichzeitig ist die Entwicklung von Autos aber auch sehr komplex. Tesla hat die Anziehungskraft eines softwarebasierten Autos demonstriert, aber es hat Jahre gedauert, bis das Unternehmen von Elon Musk profitabel wurde - und das Geld, das es verdient, stammt nach wie vor nicht aus dem Autoverkauf. Die Frage war immer, welchen Weg Apple zu interessanter Profitabilität erspäht: Indem es selbst ein Auto baut, eine Partnerschaft mit einem Autohersteller eingeht, Autosoftware entwickelt oder etwas ganz anderes?

Zwei Prozent Marktanteil wären schon «genug»

Die Frage, die sich Branchen-Beobachter ebenso stellen wie wohl die Strategen bei Apple: wozu überhaupt ins Autogeschäft einsteigen? Wie das Wirtschaftsmagazin Cash unlängst analysierte, heisst das Spiel «Kontrolle über die Interaktion mit den Insassen». So sagt Branchenexperte Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture: «Der Zugang zum Kunden wird bestimmen, wer die Service-Umsätze macht. Und das wird in zehn Jahren ein Viertel der Erlöse der Industrie sein.»

Die Morgan-Stanley-Analystin Katy Huberty gibt zugleich zu bedenken, dass Apple lediglich zwei Prozent des globalen Mobilitätsmarktes erobern müsste, um mit seinem Auto das Volumen des heutigen iPhone-Geschäfts zu erreichen. Und Apple sei traditionell gut darin, einen Markt durch seinen Eintritt zu vergrössern. «Eine solche Entwicklung könnte nach unserer Ansicht den Markt für Elektrofahrzeuge erheblich ausweiten», hiess es jüngst in einer Analyse der Investmentbank.

Auch Sam Abuelsamid, ein Analyst für die Autoindustrie bei der Beratungsfirma Guidehouse Insights, glaubt, dass Apple eher an Mobilitätsdiensten interessiert sein könnte, einschliesslich einer Robo-Taxi-Sparte. Schliesslich hat sich der Erfinder von iMac und iPhone in den letzten Jahren auf kostenpflichtige Dienste verlagert, um den Umsatz in einem gesättigten Hardware-Markt zu steigern. Apple ist bereits Investor in den chinesischen Ridesharing-Riesen Didi. Und 2019 erwarb Apple Drive.ai, ein Startup für selbstfahrende Autos, das mit dem Taxidienst und Uber-Konkurrent Lyft an einem Robotaxi-Pilotprojekt gearbeitet hatte.

Es wäre ein Schritt, der ein wenig an die Geschichte von Apple TV erinnert. Da wurde einst spekuliert, dass das Unternehmen an einem Fernsehgerät arbeite. Stattdessen brachte Apple eine kleine Streaming-Box heraus, die mit dem TV-Gerät verbunden wird. «Apple hat sich gegen ein TV-Gerät entschieden, weil die Margen zu gering waren und sie nichts Besseres entwickeln konnten als das, was bereits auf dem Markt war», so Abuelsamid.

Als Apple an Drive.ai wegen einer möglichen Übernahme herantrat, war der Tech-Riese +ernsthaft an seinen Bemühungen interessiert, obwohl sie extrem wortkarg waren und nicht wollten, dass wir irgendetwas öffentlich diskutieren oder bestätigen», sagte ein ehemaliges Vorstandsmitglied von Drive.ai, das mit CNN Business unter der Bedingung der Anonymität sprach. Das ehemalige Vorstandsmitglied fügte hinzu, dass «die meisten Drive.ai-Mitarbeiter, die ich kenne, immer noch an speziellen Projekten arbeiten und immer noch an dem Auto-Projekt.»

Unabhängig davon, welchen Weg Apple im Autosektor einschlägt, muss es zunehmend nicht nur mit Autoherstellern, sondern auch mit Tech-Unternehmen und Startups um Talente konkurrieren. Einige Unternehmen wie Zoox, ein Startup für selbstfahrende Autos, das von Amazon übernommen wurde, haben Berichten zufolge Autoingenieure von Apple abgeworben. Apple seinerseits hat Mitarbeiter von Unternehmen wie Porsche, Googles Waymo und Tesla abgeworben, darunter auch die Führungskraft, die einst die Entwicklung des Model 3 beaufsichtigte.

Lieber liefern als ankündigen

Falls und wenn Apple seine Autopläne finalisiert, erwarten Branchenbeobachter, dass das Unternehmen versuchen wird, seiner geheimnisvollen Herangehensweise bei anderen Produkten treu zu bleiben und es zum letztmöglichen Zeitpunkt anzukündigen, kurz bevor es in den Verkauf gehen kann. «Es wäre ungewöhnlich, wenn sie anfangen würden, sich wie ein Autohersteller zu verhalten und etwas ankündigen, das in 5 Jahren auf den Markt kommt», sagte Brennan.

Aber trotz jahrelanger Gerüchte, gezielter Forschungstätigkeit und kräftigem Personaleinsatz ist es durchaus möglich, dass ein Apple-Autoprojekt nie Realität wird.

«Ich war immer skeptisch, dass Apple tatsächlich in das Autogeschäft einsteigen würde», sagte Abuelsamid zu CNN Business. «Apple hat in den letzten Jahren mehrfach die Richtung in Bezug auf die Autotechnologie gewechselt und versucht herauszufinden, was und ob sie überhaupt etwas machen wollen. Es investiert immer wieder Zeit und Geld in Produkte, von denen viele nie wirklich auf den Markt kommen.»

 

Quellen:https://edition.cnn.com/2021/02/14/tech/apple-car-history/index.html, https://www.cash.ch/news/top-news/electric-vehicles-berichte-ueber-ein-apple-auto-werden-immer-konkreter-1708824


Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 5 und 5.